Oettinger will längere Vertragslaufzeiten für Internetkunden

Nach Willen des EU-Kommissars für Digitales Günther Oettinger sollen Kunden längerfristig an ihren Internetanbieter gebunden werden können. Er erhofft sich dadurch mehr Investitionen der Provider in den Breitbandausbau, bei welchem Europa im Vergleich zur USA weit hinterher hängt. Die Rede ist von „einigen Jahren“, in der ein Wechsel zu einem anderen Anbieter nicht möglich sein soll. Diese indefinite Zeitspanne sorgt für Verwirrung. Bereits jetzt werden Kunden in der Regel für zwei Jahre an einen Vertrag für Internetversorgung gebunden. Da die Provider auch zu keiner Maßnahme für Investitionen in den Netzausbau gezwungen werden können, ist der Vorstoß Oettingers sehr fraglich.

Es ist wahrlich nicht leicht für Günther Oettinger, greifende Maßnahmen für eine fortschrittliche Versorgung mit Breitband zu schaffen. Stand der jetzige EU-Digitalkommissar bereits schon in der Kritik wegen seiner geplanten Zwangsabgabe für geistiges Eigentum im Internet, dürfte sein neuester Plan auf ähnlich wenig Gegenliebe stoßen. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung skizzierte Oettinger seine Vorstellungen für Investitionen in den Netzausbau, ließ aber konkrete Zahlen außen vor. Nach Willen Oettingers soll aus dem EU-Haushalt von 300 Mrd. Euro „ein ordentliches Stück vom Kuchen“ für seinen Kompetenzbereich sein. Außerdem bemängelte er die „Planungssicherheit“ der Provider, die aufgrund der – in seinen Augen – kurzen Bindungszeit gar keine Anreize für Investitionen in den Netzausbau hätten.

Keine konkreten Zahlen, dafür viel Freiraum für Spekulationen

„Einige Jahre“ sollen laut Oettinger Kunden an den Internetanbieter gebunden werden können. Dieser unbestimmte Zeitraum lässt viel Platz für Spekulationen, haben doch bereits jetzt die Verträge für DSL und Co. in den allermeisten Fällen eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren. Die Flexibilität der Kunden ist dadurch schon jetzt stark eingeschränkt, zumal sich die Laufzeit bei nicht erfolgter Kündigung wieder um ein Jahr verlängert. Das passiert des öfteren, weil keine Verpflichtung der Provider besteht, ihre Kunden an die anstehende, automatische Vertragsverlängerung zu erinnern und so viele Kunden ein weiteres Jahr in einem inzwischen überteuerten Tarif festhängen. Auch bei der angekündigten mehrjährigen Bindung an seinen Internetanbieter ist keine Rede von Verpflichtungen seitens des Providers, welche nach Wunsch Oettingers durch diese Planungssicherheit das Geld in den Breitbandausbau stecken sollten. Die Betonung liegt auf „sollten“. Was Telekom und Kollegen mit diesen zusätzlichen Einnahmen letzten Endes anstellen, steht bisher auf keinem Papier. Zumindest auf keinem von Günther Oettinger.


Wenn man die Vorstellungen von Günther Oettinger – zumindest die, die er offiziell äußert – außen vor lässt, bleiben Fakten übrig, bei denen von Verbraucherfreundlichkeit keine Rede sein kann. Bei Vertragsabschlüssen für die Versorgung mit Internet müssen sich Kunden auf Laufzeiten von länger als zwei Jahren einstellen, wenn sich die Pläne Oettingers durchsetzen. Ob und wie viel Geld aus den EU-Geldern in den Netzausbau fließen, ist völlig unklar. Ebenso unsicher ist, ob die Provider selbst überhaupt Geld in den Netzausbau stecken, wenn sich Vertragslaufzeiten von drei Jahren oder mehr gesetzlich durchsetzen. Am Ende von Oettingers Plänen ist nur eines gewiss: die Provider sind die Sieger, welche sich auf mehr Einnahmen freuen können. Der Verbraucher wird wiederum an Verträge regelrecht gefesselt, die keinerlei Vorteile garantieren, sondern auf Dauer den gebuchten Tarif immer teurer werden lassen. Cui bono, Herr Oettinger?

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